Takht-e nard ist in Iran der Ausdruck für ‚Backgammon‘. Im ersten Moment ist nicht gleich klar, warum Schach in Deutschland bzw. Mitteleuropa so viel mehr Bedeutung hat, als Backgammon. Backgammon ist hier schließlich sehr bekannt.
Es scheint, als sei es der Anspruch, die Komplexität der Regeln, einerseits. Schach zu lernen und gut zu spielen braucht sehr viel länger, als Backgammon zu erlernen und gut zu spielen. Auch beim Backgammon muss man klug sein, wenn man gewinnen will.
Aber die Figuren folgen alle einer Richtung und Art, wie sie bewegt werden können. Es müssen von den eigenen Steinen immer zwei in einem Feld sein, damit sie nicht geschlagen werden können.
Und: Man würfelt.
Es ist dem „Mensch ärgere Dich nicht“ nicht unähnlich… Alle Steine müssen möglichst schnell aus dem Brett bewegt bzw. ins Ziel gebracht werden. Dabei sind der Gegner und die Würfel entscheidende ‚Hindernisse‘.
Nicht so beim Schach: Ich bin keine Schachspielerin, habe es früh gelernt, mich aber nie so recht dafür erwärmen können. Generell ist mir der Gedanke an Konkurrenz oder Wettkampf sehr unangenehm. Ich ziehe gegenseitige Wertschätzung und Förderung der jeweiligen Stärken vor.
Beim Schach kommt es darauf an, zu taktieren. Den Gegner und seine Züge voraus zu ahnen zu versuchen und ihn oder sie manchmal mithilfe verschiedener Zugmuster der Schachtradition ‚außer Gefecht‘ zu setzen.
Das macht Schach dem Krieg sehr verwandt.
Andererseits könnte aber auch die geringere Beliebtheit des Spiels Backgammon daran liegen, dass es in Iran als ‚Takht-e nard‘ so ganz anders gespielt wird, als bei uns:
Man nutzt es als eine Art gesellschaftliches Ereignis und die Chance, sich zu begegnen.
Mir ist in Erinnerung, dass Gesellschaftsspiele hier in erster Linie darauf konzentriert waren, zu gewinnen.
Mit der Idee dabei, vor allem vielleicht beim Schach, dass man alles richtig machen könne, um zu siegen. Wer verliert, ist bemitleidenswert, ein Tropf, vielleicht…? Sicher hängt es auch davon ab, wie man damit aufwächst.
Was ich bei einem Bericht über Takht-e nard in Iran gesehen habe, ist ein Umgang ähnlich wie ich ihn vom Skat kenne: die Sprüche und Witze, die man sich zuwirft.
Sie gibt es hier beim Backgammon so gut wie gar nicht.
Erst recht beim Schach: Es ist geradezu hohe Kunst, leise zu sein, um die eigene und die Konzentration des Gegners nicht zu stören.
Es gilt sogar als faux pas, zur Unzeit zu viel zu sprechen.
Die Regeln des Takht-e nard sind im Vergleich relativ simpel. Und die Würfel machen es zu einer viel größeren Glückssache.
Aber der Witz geht fast völlig verloren. Es ist möglich, dass es hier (unreflektiert) dem Schach als näher angesehen wird, weil Schachbretter häufig auf der Rückseite ein Backgammon-Feld enthalten.
Darum versucht man, ihm den gleichen Ernst abzugewinnen.
Aber das passt nicht dazu, denn es wird ähnlich wie das Leben betrachtet, in Iran: Mal gewinnt man, mal verliert man. Mindestens zur Hälfte ist es Glückssache.
Man kann nur sein Bestes tun.