Seit einiger Zeit beobachte ich bei manchen Zeitgenossen und auch bei mir einen Effekt, den man vielleicht mit dem ‚Autofahrersyndrom‘ umschreiben könnte.
Es ist schon länger bekannt, dass Autofahrer dazu neigen, ungeduldig zu werden, andere Mitmenschen grundlos anzublaffen oder sich im Extremfall sogar zu prügeln.
Legion sind die Geschichten über Flüche, die im Auto ausgestoßen werden.
Nun kommt ein neues Phänomen daher: Die Aggression vor dem PC. Menschen sitzen vor den Bildschirmen, seufzen, stöhnen, fluchen – und es packt sie gelegentlich der Drang, das Gerät mit all seinen Einzelteilen aus dem Fenster zu werfen. Möglichst laut und mit vielen Scherben.
Ich vermute, diese beiden Phänomene speisen sich aus denselben Quellen:
Zum einen aus der Idee, es mit einer völlig steuerbaren und willfährigen Maschine zu tun zu haben, die alles auf Knopfdruck tut – und das schnell und ohne zu murren.
Zum anderen ist die Zeit als solche zu einem immer knapperen Gut geworden. Immer mehr muss in immer weniger Zeit geschafft werden. Gerade die Idee von Schnelligkeit des Maschinenzeitalters lässt uns vergessen, dass manche Dinge Zeit kosten – und dass das auch gut ist.
Denn Menschen brauchen Zeit: Sich an neue Umstände zu gewöhnen – ihre Gedanken zu entwickeln – oder einfach nur zu ’sein‘.
Es hilft, sich klar zu machen, dass Zeit genug vorhanden ist, indem man sich fragt: Was muss wirklich wirklich jetzt gleich oder heute noch passieren?
Vielleicht stellt sich dann heraus, dass die Liste der Aufgaben reduziert werden kann auf das Wesentliche – und die Zeit dehnt sich plötzlich, Ruhe kann einkehren.
Und dann kann man vielleicht sogar seinen PC kurz anlächeln…